Month: Dezember 2018

  • 5 Tipps für achtsames Essen an Weihnachten (und anderen trubeligen Tagen)

    Vielleicht fällt es dir auch schwer, an Weihnachten bei dir zu bleiben: Lärm und Trubel von Verwandten, Kindern und Haustieren, die durch die Gegend flitzen, Gesprächsfetzen, die sich pingpongartig durch den Raum zugeworfen werden und vor allem SOOO viel leckeres, besonderes, reichhaltiges Essen. Ich jedenfalls stelle jedes Weihnachten wieder fest, dass achtsames und intuitives Essen eine echte Herausforderung für mich ist, wenn ich mit meiner Mahlzeit nicht alleine, sondern von vielen Menschen umgeben bin. Deshalb kommen hier 5 Tipps, die es dir erleichtern, auch im Festtagstrubel bei dir und deinem Teller zu bleiben und dem Essen die Aufmerksamkeit zu schenken, die es verdient.

    1. Halte kurz inne vorm Essen

    Das Wichtigste ist, kurz innezuhalten und sich bewusst zu machen, dass du jetzt isst. Indem du diesen Artikel hier liest, bist du diesem Bewusstmachen schon ein ganzes Stück näher gekommen, deshalb direkt mal Glückwunsch dazu! 🙂 Für dieses kurze Innehalten reicht eine minikurze Zeitspanne, so kurz, dass es niemand bemerken wird, aber es für dich einen großen Unterschied macht. Nimm wahr, wie du sitzt, wer bei dir ist, was sich in deiner Umgebung befindet. Dadurch verankerst du dich im aktuellen Moment und holst deinen Geist und deine Aufmerksamkeit zurück vom Außen ins Innen, quasi von ausschweifenden politischen Diskussionen über den Zustand der Welt zurück in dein Haus, in dieses Zimmer, auf diesen Stuhl.

    Dieses kurze Innehalten ist etwas, was in christlicher Tradition durch das Tischgebet vorgegeben wurde und in der modernen Welt immer mehr verloren ging. Da ich nicht christlich erzogen wurde, find ich das sehr okay, aber um die Tradition an sich, das Ritual des Besinnens, ist es schade. Das heißt, auch wenn es in deiner Familie kein Tischgebet mehr gibt, nutze diesen Moment für dich oder noch besser, sprich darüber und führe vielleicht ein neues Familienritual für euch ein. Den anderen geht’s mit dem achtsamen Essen ja vermutlich genauso wie dir und vielleicht sind alle froh, wenn man sich vor dem Essen kurz Zeit nimmt, sich darauf einzustimmen.

    2. Schau dir an, was du da isst

    Als nächstes nimm dir ganz kurz Zeit, dir bewusst zu machen, was du da auf dem Teller hast. Wie sieht es aus, wie ist die Konsistenz, wie riecht es? Wo kommt es her, wer hat es zubereitet? Überleg dir auch mal, was alles nötig war, bis die Zutaten im Supermarkt gelandet sind. Boden musste aufbereitet, Samen gesäht, Gemüse geerntet und sortiert und eventuell verpackt werden.. Wenn ich darüber nachdenke, was alles nötig war, damit ich mein Essen auf dem Teller habe, bin ich immer wieder ehrfürchtig und ehrlich erstaunt darüber, dass Essen immer noch vergleichsweise günstig ist. Dein Essen und alle beteiligten Personen haben Wertschätzung verdient und wenn du tierische Produkte isst, gilt das noch mehr! Diese Wertschätzung kannst du geben, indem du kurz daran denkst und vielleicht ein kleines Danke rausschickst.

    3. Denk dran, zu kauen!

    Ausgiebig kauen hilft deinem Körper nicht nur dabei, Nährstoffe besser zu verwerten, sondern sorgt auch dafür, dass du achtsamer beim Essen bleibst und es besser wahr nimmst und schmeckst. Besonders, wenn man hungrig ist, weil man darauf warten musste, bis endlich alle am Tisch sitzen oder beim Essen durch Gespräche und Zuhören abgelenkt ist, kann man es sehr leicht vergessen, ausgiebig zu kauen. Ich versuche, mindestens 20 mal zu kauen und das empfehle ich dir auch. Wenn du zum ersten Mal darauf achtest, wirst du vielleicht feststellen, wie schnell du normalerweise isst und wie wenig Beachtung du der Nahrung in deinem Mund wirklich schenkst. Das kannst du durchs aufmerksame Kauen verbessern und so nicht nur die Nahrung achtsamer wahrnehmen, sondern auch verhindern, dass du zu schnell zu viel isst, was dann wiederum zu Völlegefühl und Unwohlsein führen kann.

    4. Alles ist erlaubt

    An Weihnachten kann man alle Diäten vergessen, zumindest hoffe ich das, denn sich an Weihnachten einzuschränken ist ganz schön traurig. An Weihnachten ist alles erlaubt (und damit bestenfalls wie immer!). Wenn du allerdings so jemand bist, der eigentlich abnehmen will und immer irgendwie versucht, weniger zu essen, kann „Alles ist erlaubt“ auch ins Gegenteil umschlagen und dazu führen, dass du „jetzt erst Recht“ alles in dich reinstopfst, was normalerweise schlechtes Gewissen hervorruft.

    Ich rate dir inständig: Mach das nicht. Die Schuldgefühle und der Selbsthass kommen danach meist umso heftiger, ich weiß, wovon ich spreche, denn ich hab das Spielchen jahrelang gespielt. Alles ist erlaubt heißt in dem Fall auch: Vergiss Diätgedanken, aber stopf nicht in dich hinein. Sei liebevoll zu deinem Körper und hör auf seine Grenzen. Damit meine ich nicht, dass du superpenibel darauf achten sollst, aufzuhören, wenn du satt bist. Aber du weißt schon. Auch beim sich erlauben gibt es eine Grenze und die ist dann erreicht, wenn dir der Magen weh tut und du dich nicht mehr bewegen kannst vor lauter Völlegefühl. Das ist dann keine Selbstliebe mehr, sondern fast schon wieder ’ne Art Bestrafung und die hat dein Körper nicht verdient.

    5. Mach zwischendurch mal Pause

    Wenn überall Teller voll Plätzchen stehen, das Essen so reichhaltig ist, dass auf jeden Fall mindestens ’ne zweite Portion nachgeschöpft wird und alle dir was aufdrängen, kann es schwierig werden, mal eine Pause vom ständigen Essen zu machen. Immer wieder zu snacken und hier und da noch was in den Mund zu stecken, kann allerdings das genaue Gegenteil von achtsamem Essen sein, denn du nimmst irgendwann deinen Appetit und die einzelnen Komponenten nicht mehr wahr, sondern isst unbewusst und nebenher.

    Auch hier gilt: Ich verurteile das überhaupt nicht und ich versteh es total, dass das ganze Umfeld an Weihnachten dazu anregt, genauso zu essen. Vollstes Verständnis dafür. Wenn du Pause einlegst, dann nicht wegen Kalorien, um was einzusparen, Pipapo, sondern für dich! Damit du nicht aufhörst, deinen Körper zu spüren und irgendwann nicht mehr zu wissen, hast du überhaupt noch Appetit oder wandert das Essen nur aus Gewohnheit in dich hinein? Das haben weder du noch das Essen verdient. Also mach zwischendurch mal bewusst Pause und sag nein. Das nächste Essen kommt bestimmt!  Und vielleicht drehst du in deiner Pause ’ne Runde durch die Nachbarschaft und schnappst ein bisschen frische Luft, dass das gut tut, ist ja ne alte Binsenweisheit, ne. 😉

    Und damit wünsche ich dir noch wunderbare Festtage und natürlich ganz, ganz viel leckeres Essen – was auch immer das für dich bedeutet.

    Zum Weiterlesen:
    Jan Chozen Bays: Achtsam essen: Vergiss alle Diäten und entdecke die Weisheit deines Körpers.

    Photo by rawpixel on Unsplash

  • Ich habe zugenommen

    und warum das nicht das Problem ist und Abnehmen nicht die Lösung.

    Vor ein paar Tagen: Ich stehe vor dem Schrank und nehme eine weiße Bluse heraus, die ich an diesem Tag tragen möchte und die schon immer hauteng sitzt. Ich streife sie über meinen Oberkörper und stelle fest: Das passt nicht. Der Stoff schließt sich so eng um meine Oberarme, dass ich sie nicht mehr richtig bewegen kann und wie ein Pinguin mit seinen kleinen Flügeln hin und herwedeln muss, damit alles an die richtige Stelle rutscht. Aber auch das funktioniert nicht richtig, es klemmt und zwackt und zu allem Überfluss fliegt nun auch noch einer der Knöpfe, die die Bluse am Rücken verschließen, in hohem Bogen durchs Zimmer. Ich kann nicht anders, als über die Situation zu lachen, wie ich hier stehe und versuche, mich in dieses Kleidungsstück zu zwängen. Ich wusste es eigentlich schon: Ich habe zugenommen.

    Das Corpus Delicti

    Ich habe zugenommen. Für viele Menschen löst dieser Gedanke schiere Panik aus, ist doch zunehmen und dick sein in unserer Gesellschaft eine gaaanz furchtbare Sache. Uns wird von klein auf eingetrichtert:

    Dick sein ist furchtbar.

    Abnehmen bedeutet erfolgreich sein.

    Zunehmen ist versagen.

    Wir haben ein Problem mit Fat Shaming in Deutschland. Dicke Menschen werden strukturell diskriminiert und benachteiligt und das muss sich unbedingt ändern. Aber auch bei „normal“ gelesenen Körpern, die keine strukturelle Benachteiligung spüren, kann eine Zunahme dazu führen, dass sich die Person absolut beschissen fühlt, so tief sind diese Überzeugungen gesellschaftlich verankert und werden uns gespiegelt. Wir bekommen Komplimente, wenn wir abnehmen und müssen uns rechtfertigen, wenn wir zunehmen. Klatschzeitschriften und Frauenmagazine sind voll mit Erfolgsgeschichten oder der Frage, „Weshalb hat sie sich so gehen lassen“ und dem Zoom auf einen Hintern mit Celullite. Es ist kein Wunder, dass eine Zunahme zu blanker Panik führen kann, dem Wunsch nach einer Diät und dem Unglück darüber, dass man sich nicht besser unter Kontrolle hatte. Aber so einfach ist es eben nicht. Ich weiß ganz genau: Dass ich zugenommen habe – nein, es ist nicht das Problem.

    Meine Zunahme ist nicht das Problem und abnehmen nicht die Lösung.

    Egal, wer mir was anderes einreden möchte, ich weiß: Zunehmen bedeutet nicht, dass ich die Kontrolle über mein Leben verloren habe. Stattdessen ist meine Zunahme ein Symptom und zwar dafür, dass es mir einige Wochen nicht so gut ging und meine Selbstfürsorge gelitten hat.

    Ich habe mehr (emotional) gegessen als vorher.

    Ich habe mich weniger bewegt als vorher.

    Ich habe mich weniger um meine Bedürfnisse gekümmert als vorher.

    Zunehmen ist ein Symptom und nicht das Problem an sich. Wenn wir uns davon lösen, in Panik zu verfallen, wie wir es gelernt haben, dann können wir es dafür sehen, was es wirklich ist: Ein Hinweis, ein Weckruf, sich wieder mehr um sich zu kümmern. Eigene Grenzen zu wahren. Sich mehr zu bewegen und zwar nicht um abzunehmen, sondern weil unsere Körper es lieben, wenn sie bewegt werden.

    Also entscheide ich mich, erstmal durchzuatmen. Und mir dann ne fette (ha!) Umarmung zu schenken. Weil du und ich, weil wir so viel mehr sind als dieser Körper! Weil wir uns lieben dürfen, ganz egal, ob wir zugenommen haben. Jetzt schon und nicht erst Morgen und nicht erst nach der nächsten Diät oder wenn die Bluse wieder passt.

    Die Zunahme ist nicht das Problem. Versprochen. Falls wir etwas ändern wollen, müssen wir uns fragen: Wie hab ich mich in den letzten Wochen selbst behandelt? Und bei mir sieht die Antwort so aus: Nicht gut. Und ich spüre, dass ich das ändern möchte.

    ich möchte wieder achtsamer essen.

    Ich möchte mich wieder mehr bewegen, weil es mir gut tut.

    Ich möchte mich weniger durch Essen ablenken und mehr bei mir bleiben.

    Andere Wege finden, um mit meinem Stress umzugehen.

    Und vielleicht kommt damit auch eine Abnahme. Vielleicht bekomme ich die Bluse wieder über den Kopf und kann den Knopf wieder annähen. Vielleicht auch nicht! Aber wenn ich beginne, nach mir zu schauen und meinen Fokus wieder darauf zu richten, was mir gut tut, wird es mir unweigerlich besser gehen. Ganz egal, wie mein Körper aussieht. Und dasselbe gilt auch für dich. <3

    Photo by Annie Spratt on Unsplash