Month: April 2018

  • Über das toxische Bild des „Yoga Body“

    Über den anerkennenden Satz „Wow, du hast ja schon einen tollen Yoga Body bekommen!“ stolperte ich das erste Mal vor etwa einem Jahr unter einem (tatsächlich sehr ästhetischen) Instagramfoto. Instinktiv verdrehte ich dabei die Augen, denn schließlich gehört es zum Basiswissen über Yoga, dass es eben NICHT um Äußerlichkeiten und vermeintlichen Fortschritt geht, sondern vor allem um eine innere Haltung. Das ist doch allen klar, dachte ich – Oder? Anscheinend nicht, denn inzwischen begegnet einem der Begriff Yoga Body immer häufiger und er ist zum Synonym geworden für einen Körper, der durch das praktizieren von Yoga straff, schlank und athletisch (geworden) ist.  Inflationär wird er dazu benutzt, Apps zu bewerben, mit denen man Yoga machen und sich „tonen“ kann und es gibt sogar ein Buch, das so heißt. Der Untertitel bewirbt das Konzept „Asanas & Ernährung perfekt kombiniert: Straff, schlank, schön“.

    Klingt wie ein neues Diätprogramm? Ja tatsächlich. Und ist so weit weg davon, warum ich Yoga lieben gelernt habe und was mich persönlich antreibt, Yogalehrerin zu werden und das „Yoga-Feeling“ an meine SchülerInnen weiterzugeben. Nämlich, dass Perfektion eben KEINE Rolle spielt und dass Yoga NICHTS damit zu tun hat, wie schön und straff man ist.

    tänzerin
    Eine unperfekte Tänzerin von einem Normalo-Körper 🙂
    Damit ist Yoga heilsam für die vielen Menschen unter uns, die ein schlechtes Verhältnis zu Bewegung haben, weil sie verinnerlicht haben, dass sie Sport machen sollen um abzunehmen, oder die schlechte Erfahrungen mit Schulsport gesammelt haben, oder oder oder. Aus vielen Gesprächen weiß ich: Nicht nur ich war davon betroffen, sondern davon gibt es verdammt viele. Und tatsächlich ist es erwiesen, dass Yoga die Körperakzeptanz verbessern und zu mehr Selbstliebe führen kann, wie ich hier aufgeführt habe. Stattdessen vermittelt uns der Yoga Body ein anderes Bild: Schlank, weiß, jung und äußerst beweglich sollst du sein, um Yoga zu machen! Durch die Bilder, die unter dem Begriff verbreitet werden, werden zum Beispiel alte, unfitte, dicke und auch People of Color ausgeschlossen.

    Tatsächlich reagieren die Leute häufig mit leichtem Unbehagen darauf, dass ich Yogalehrerin werde. „Oh Yoga, das wäre nichts für mich, dafür bin ich zu unbeweglich!“, sagen sie und schauen betreten weg, als ob ich sie automatisch in einer „schlechten“ Vorbeuge sehen könnte. Das macht mich jedes Mal sehr traurig, denn es ist genau umgekehrt: Man muss überhaupt nicht beweglich sein, um mit Yoga anzufangen, aber Yoga verbessert die Beweglichkeit und sollte deshalb gerade von denen gemacht werden, die nicht so biegsam sind! Stattdessen halten die akrobatischen Fotos und Videos die Normalos, die Steifen, die Alten und die Schüchternen vom Yoga ab.

    Ausfallschritt
    Ein unperfekter Ausfallschritt von einem Normalo-Körper 🙂
    In der Bildwelt rund um Yogakleidung kann man ebenfalls den Eindruck bekommen, die Yogawerbung hängt der globalen Entwicklung extrem hinterher. Vielfalt und Diversität? Fehlanzeige. Die Models für Yoga-Kleidung sind ebenfalls weiß, schlank und extrem athletisch und biegsam. Schauen wir uns zum Beispiel mal die aktuelle Werbung des Hamburger Labels „Hey Honey“ an. Ein Label, dessen Hosen ich übrigens sehr schätze, versteht mich da nicht falsch. Aber das Video für ihre aktuelle Kollektion spricht Bände. Yogalehrerin Wanda Badwal ist ohne Frage eine extrem schöne Frau und ich möchte überhaupt nichts gegen sie persönlich sagen, aber sie war eben auch Model und entspricht damit einem Körpertyp, den fast keine Frau so erfüllen kann. Man könnte nun überlegen, ob das in Deutschland speziell so ist, aus welchen Gründen auch immer? Aber nein, auch z. B. in den USA wird hauptsächlich diese Bildwelt von den Yogamarken genutzt.

    Brandaktuell wurde dieses Thema durch den Streit von Body Positivity Yogalehrerin Dana Falsetti, die sich dagegen wehrte, dass ihre Inhalte von Alo Yoga vereinnahmt werden sollten, deren Content sie als zu exkludierend empfand (zum genauen Hintergrund der Story). Auch ich fühle mich von dieser Bildwelt ausgeschlossen und eingeschüchtert und da bin ich nicht die Einzige: In einer kleinen Umfrage in meinem Instagram-Account kam heraus, dass 96 % aller Befragten sich ebenfalls von solcher Werbung unter Druck gesetzt fühlen. Und wenn es mir schon so geht, die ebenfalls weiß und relativ jung und (zwar am oberen Rand aber) normalgewichtig ist, wie geht es dann erst anderen Yogis, die dieses Bild noch wenger erfüllen? Wir werden durch diese Bilder nicht ermutigt, sondern eher davon abgehalten Yoga zu machen und ja, auch davon abgehalten die Kleidung zu kaufen.

    Erfrischenderweiße gibt es auch eine Gegenbewegung:  So erzählt etwa Yoga Bodies. Real People, Real Stories & the Power of Transformation“ eine andere Geschichte und zeigt die vielen Facetten, die Yoga Bodies haben. Nämlich alle: Alt, jung, dick, dünn, schwarz, weiß, gesund, krank und alles dazwischen. Alles Menschen, die Yoga lieben, uns so inspierieren, auch Yoga zu machen und von denen wir zukünftig hoffentlich mehr sehen. Spätestens, wenn den Yogakleidung-Marken auch klar wird, dass sie einen großen Teil an Menschen mit ihrer altmodischen Bildwelt nicht erreichen können.
    Und es gibt großartige, alternative Yoga-Lehrerinnen, die das Wort in die Welt hinaustragen. Dazu zählen zum Beispiel:
    • Jessamyn Stanley, die das Buch „Every Body Yoga“ geschrieben hat und ermutigt: „Let go of fear, get on the mat and love your body“: Instagram Account 
    • Dianne Bondy, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, dass ALLE Körper Yoga machen können und die dafür auch ungewöhnliche Hilfsmittel nutzt, wie zum Beispiel Stühle: Instagram-Account
    • Die oben erwähnte Dana Falsetti, die eine große inspiration (nicht nur) für dicke Yogis ist: Instagram-Account 
    • Dörte Kuhn, quasi das deutsche Äquivalent zu Dana Falsetti und mit ihrer Kurvenreich Werkstatt schon lange auf Mission, die Selbstakzeptanz ihrer Schüler zu verbessern: Instagram-Account
    Ihr seht, auch bei meinen Vorschlägen ist noch Luft nach oben. Deshalb freue ich mich über Vorschläge für alternative YogalehrerInnen! Und jetzt schicke ich einen unperfekten Sonnengruß von meiner Matte zu eurer. 🙂

    PS: Ich habe mich auch gefragt, inwiefern meine eigenen Fotos diese Narrative weiterzählen und ob ich sie deshalb nicht posten sollte. Schließlich bin ich wie geschrieben ebenfalls (relativ) jung, weiß und eben „normal“. Ich habe sie dennoch gepostet, da ich mich selbst als sehr weit weg von einem perfekten Yogamodel empfinde. Wenn das jemand anders sieht und sich dadurch wiederum unter Druck gesetzt fühlen sollte, tut mir das sehr leid und ich freue mich über Feedback dazu. Bis dahin: Namasté!
  • Im Einklang mit den Jahreszeiten leben – Wachstum im Frühling

    Hallo Frühling! Da bist du endlich und kamst so schnell, dass man dieses Wochenende schon sommerlich nennen kann – über 25 Grad sind es in Karlsruhe bereits. Bevor der Sommer aber richtig kommt, möchte ich hier noch meine Gedanken dazu teilen, wie diese wunderschöne Zeit so richtig ausgekostet werden kann. Im Einklang mit den Jahreszeiten leben, was heißt das im Frühling?

    Das Wort für den Frühling ist WACHSTUM. Dieses Wachstum tut gut, ist aber auch anstrengend und kann sogar schmerzhaft sein. Dazu passt, dass wir uns im Frühling oft müde fühlen – ja, wir sind energetisiert und auf Expansion ausgerichtet, aber zugleich erfordert das Energie von uns. Hier dürfen wir akzeptieren, dass wir auch mal erschöpft sind, was vermeintlich nicht mit der überbordenden Energie des Außens zusammen passt. Doch wir sehen von all dem Reichtum der Natur nur das Äußere, die innere Anstrengung bekommen wir nicht zu Gesicht. Wenn du selbst Pflanzen hast, weißt du: Ab jetzt wurzelt nicht nur alles neu, sondern du musst auch wieder mehr düngen als im Winter. Unser menschlicher „Dünger“ ist dabei, dass wir nicht nur geben und tun, sondern unsere Speicher auch wieder mit Ruhe und Schlaf auffüllen.

    Dazu passt, dass in der Lehre des Ayurveda der Frühling Kaphazeit ist, das heißt eher träge und statisch. Was auf den ersten Blick erstmal seltsam erscheint, ergibt Sinn: Durch den langen Winter, die Kälte und die reichhaltigere Nahrung hat sich Kapha energetisch im Körper angereichert und wir fühlen uns müde und schwerfällig. Nach und nach löst sich das, wobei der Körper manchmal  langsamer ist als ein plötzlicher Wärmeeinbruch. Das kann dazu führen, dass wir im Inneren noch nicht so recht zum Äußeren passen und erstmal wieder in Gang kommen müssen. Dazu passt die sprichwörtliche Frühjahrsmüdigkeit, die uns anfallartig überkommen kann und der wir nachgeben dürfen. Noch ein Schläfchen hat noch keinem geschadet. 🙂 Was können wir sonst noch tun, um diese Zeit auszukosten und zu feiern?

    Wieder mit der Natur verbinden

    Die Natur ist in ihrer Wärme und Schönheit zurück und wir können endlich die dicken Kleider ablegen und wieder die Luft und Sonne an unsere Haut lassen. Auch unsere Füße freuen sich darüber, wieder frei zu sein und sich mit der Erde zu verbinden. Lauf deshalb barfuss, so oft du kannst, am besten natürlich im Gras oder auf anderem natürlichen Boden. So kommst du zurück zum direkten Kontakt mit der Natur, die dich umgibt. Leg dich auch gerne mal ins Gras, spür den Boden, fühl die Kühle der Erde und rieche die Pflanzen. Instinktiv spüren wir, wie gut es tut, endlich wieder in Kontakt mit der Natur zu treten, nachdem es im Winter dafür zu kalt war.

    Erste Male genießen

    Generell ist der Frühling die Zeit der ersten Male des Jahres: Das erste Mal barfuss laufen. Das erste Mal wieder nackte Beine spüren. Das erste Mal in den See springen (hoffentlich!), das erste Mal nachts auf dem Balkon sitzen und nicht frieren. Diese ersten Male dürfen wir genießen und sie jedes Mal ein bisschen in Gedanken feiern. Wir holen uns unsere kleinen Freuden zurück und erleben sie fast so wie beim ersten Mal. Spür mal, wie schön das ist und wie viel Wunder auch in dem steckt, das wir eigentlich kennen, das uns aber ein paar Monate verwehrt blieb. Was wir wieder entdecken ist doppelt so wertvoll: Genießen wir die kleinen Zauber des Alltags!

    Sähen und pflanzen

    Im Frühling ist alles auf Expansion ausgelegt. Was gesät wird, wächst, was bereits da ist schlägt neu aus. Das ist eine wunderbare Zeit, um sowohl in dir neue Intentionen zu pflanzen und wieder mit mehr Bestimmung durchs Leben zu gehen als auch physisch zu pflanzen und zu sähen. Vielleicht bist du schon ein/e routinierte GärtnerIn, vielleicht auch nicht. Du musst nicht gleich Tomatenstauden züchten, sondern kannst auch ganz klein anfangen: Leg dir einen Balkonkasten mit Erde an und verstreu z. B. ein paar „Bienenschmaus“-Samen. Die bekommt man mittlerweile öfter geschenkt, weil das Thema Bienensterben mehr und mehr an Sichtbarkeit gewinnt. Andere Blumensamen gibt es mittlerweile in den meisten Supermärkten. Mach dir keinen großen Kopf, ob du das richtig machst, sondern trau dich einfach und sähe etwas, was du magst. Alternativ kannst du Blumen oder Kräuter kaufen und neu einpflanzen. Frische Kräuter sind immer eine gute Idee für mehr Frische beim Kochen und das besonders nach dem Winter, der kulinarisch ja schnell etwas öde werden kann, wenn man sich saisonal ernährt. Kohl und Wurzelgemüse schön und gut, aber jetzt darf wieder etwas Frisches her! Übrigens: Auch deine Topfpflanzen wollen jetzt neu ausschlagen und freuen sich darüber, wenn sie umgetopft werden und du alte Blätter entfernst.

    Wachsende Vielfalt im Essen feiern

    Speaking of seasonal Food: Der Saisonkalender füllt sich so langsam wieder und die Vielfalt nimmt zu. Erste zarte Blattgemüse, Rübchen und frisches Obst sind erhältlich und du kannst dich darauf freuen, dass deine Speisekarte wieder interessanter wird. Auch unser Körper freut sich über die innerliche Frische, die so gut zum äußerlichen Sprießen passt. Diese neue Auswahl sorgt dafür, dass du beim Kochen neue Inspiration erhältst und wieder kreativer werden kannst. Ist das nicht wunderbar?

    Das Leben wird wieder bunt

    Frühling ist die Zeit des farblichen Überflusses. Aus braungrau wird grün und alles was blühen kann, beginnt zu blühen. Wir erfreuen uns an den schönen Farben und können sie uns nach Hause holen, indem wir Blumen kaufen oder pflücken gehen. Am schönsten ist das mit Wildblumen. Mach einen Ausflug mit deinem Fahrrad und einer Schere und geh Blumen pflücken! Man kann sich kaum verbundener fühlen mit dem Reichtum der Pflanzenfarben als durch eine Wiese zu streifen und mitzunehmen, was schön ist. Das nährt das Herz und die Seele.

    Neue Frische spüren

    Frühjahrsputz ist nicht umsonst ein stehender Begriff. Ich habe es dieses Jahr beobachtet: Am ersten schönen Wochenende war die gesamte Stadt geschäftig damit, entweder zu putzen, alten Staub abzuklopfen oder ihren Balkon oder Garten zu säubern und wieder einzuweihen. Instinktiv sehnen wir uns jetzt danach, den alten Schmutz zu entfernen und neu zu strahlen. Was lange versteckt war, möchte wieder entdeckt und poliert werden. Das gibt unserem Leben neuen Reichtum, denn wir entdecken wieder, was überwintert hat, erweitern unseren Lebensraum nach draußen (Expansion) und  entdecken nicht zuletzt unseren Kleiderschrank neu.

    Leichtigkeit spüren

    Ich freue mich jedes Jahr aufs neue über meine leichten Kleider, Röcke und anderen Schuhe. Auch endlich ohne dicken Mantel das Haus zu verlassen – Welche Erleichterung! Wir fühlen uns leichter am Körper und gewinnen dadurch auch Leichtigkeit im Herzen. Aber lass dich dadurch nicht unter Druck setzen – Vielleicht geht dir auch alles zu schnell und deine Seele kommt noch nicht hinterher, wenn die Wärme zu früh einsetzt. Wir entdecken uns neu im Spiegel und müssen uns vielleicht erst wieder an das gewöhnen, was da zu sehen ist oder uns neu damit auseinander setzen. Dann erlaub dir, langsam zu machen und verlange keine Euphorie, wenn du noch nicht soweit bist. Keiner muss sofort alles toll und schön finden, wir können uns auch langsam rantasten und uns gemächlich daran gewöhnen, dass nun wieder Körperteile exponiert werden, die monatelang versteckt wurden. Und: Auch weiße Beine sind gute Beine. 😉

    Damit wünsche ich euch eine wunderbare restliche Frühlingszeit!
    Alles Liebe, Noemi <3

    Credit: Photo by Nitish Meena on Unsplash