(Dieser Artikel enthält Fotos aus meinem Shooting für Coco Malou und muss somit als Werbung gekennzeichnet werden.)
„Definierte Bauchmuskeln in 15 Minuten“, „Das beste Bodyweight-Training für Bauch, Beine, Po“, „Die 7 besten Übungen für straffe Oberschenkel“ – So oder ähnlich stehen die Versprechen auf einschlägigen Fitnesszeitschriften für Frauen.
Für uns als Gesellschaft komplett normal. Wir sind es gewöhnt, unseren Körper gedanklich in seine Einzelteile zu zerlegen und diese Einzelteile nach ihrem Aussehen zu bewerten. Von diesem Urteil hängt ab, ob wir damit zufrieden sein dürfen, oder daran „arbeiten“, sprich sie optisch verbessern sollen – auf definierte Bauchmuskeln und straffe Oberschenkel hin trainieren eben.
Wenn ich darüber nachdenke, welche angeblichen körperlichen Makel ich habe, dann sind das enorm viele. Ich habe:
- Voluminöse Oberschenkel
- Wöchel (ein Kofferwort aus Knöchel und Wade und angeblich besonders unansehnlich an Frauenbeinen)
- Cellulite
- Reiterhosen
- Hip Dips
- keine Thigh Gap
- dafür eine kleine Fettschürze
- Voluminöse Oberarme
- kleine Brüste
- ich glaube, meine inneren Schamlippen sind auch zu lang für alle Pornofans
- und nicht zu vergessen die lieben Dehnungsstreifen aus der Zeit, in der ich schnell und viel zugenommen habe!
Ginge es nach dieser Aufzählung, wäre mein Körper ein einziges Defizit, eine totale Minusrechnung, ein Fail auf allen Ebenen. Und genau so hab ich lange gedacht, schließlich wurde auch ich von allen Seiten dazu aufgefordert, „Bauch-Beine-Po“ zu trainieren oder „endlich einen flachen Bauch“ zu bekommen.
Körperakzeptanz einfach so, wie man ist? Vergiss es! Dein Körper ist ein zu verbesserndes Ausgangsmaterial, mit dem du erst zufrieden sein sollst, wenn jedes Einzelteil in seine optimale Form getuned wurde. Das möchtest du nicht? Dann arbeite wenigstens darauf hin, dass der gesamte Körper „straffer und knackiger“ wird.
Kam früher irgendwo die Sprache darauf, welchen Körperteil ich an mir schön fände, war mein Gedanke immer „Öööhm, keiner..?“ und verschämt dachte ich daran, dass meine Augen ja ganz schön seien, aber mir war klar, dass das Gesicht aus irgendeinem Grund nicht zum Körper zählt. Deshalb hab ich übrigens nie mit meiner Größe gehadert (1,53m), denn da kam schon immer ein gewisser Humor zum Vorschein, „Was, damit soll ich auch noch unzufrieden sein?! No way!“. 😉
Ich weiß, ich weiß. Auf eine gewisse Art ist es in uns angelegt, einzelne Körperteile zu bewerten, schließlich besteht unser Körper auch aus sexuelleren und asexuelleren Parts. No Judgement, wenn du bestimmte Körperteile wunderschön und manche grässlich findest! Ich bewerte das auch oft, klar, ich bin nur ein Mensch und in dieser Gesellschaft sozialisiert worden. Ich weiß z.B., dass ich bei Männern breite Schultern mag und mir fällt es auch auf, wenn eine meiner Freundinnen besonders schöne Brüste hat. Aber ich hab inzwischen auch verstanden, dass wir sind so, so viel mehr als das sind.
Denn, und Achtung, jetzt wird’s deep, wie Aristoteles gesagt hat:
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
Aristoteles
Nun hab ich nicht Philosophie studiert, sieh es mir also nach, wenn ich es nicht zu 100% richtig wiedergebe, aber so wie ich es verstanden habe, spricht man hier von Emergenz. Emergenz bedeutet „(…)eigenschaften und Gesetze (…), die man nicht aus den Gesetzen der isolierten Komponenten und ihrer Anordnung vorhersehen und ableiten kann.“
Was heißt das nun? Dass das Ergebnis, die Summe von etwas, nicht aus dem bloßen Zusammenrechnen der einzelnen Teile entsteht. Und genauso sieht es mit unserem Körper aus. Man könnte also auch sagen:
Dein Körper ist mehr als die Summe seiner Einzelteile
Der gewohnheitsmäßige Blick auf die Einzelteile versperrt uns die Sicht auf das große Ganze, das da heißt Körper und körperliche Präsenz. Wir haben vergessen, dass unser Körper nicht nur aus einzelnen Teilen zusammengesetzt wird, sondern bereits für sich etwas komplett Ganzes ist. Vom Aussehen und von der Wirkung her.
Dein Körper wirkt nämlich nicht nur durch seine Einzelteile, sondern als Gesamtbild, durch DICH und das, was du ausstrahlst. Wie du bei deinem Gegenüber körperlich ankommst, hat viel mehr mit deiner gesamten Wirkung zu tun als damit, dass Körperteil A und B und C die gesellschaftlich akzeptierte Form haben (mal davon abgesehen, dass die sowieso von Mensch zu Mensch unterschiedlich bevorzugt wird) und somit zu einer positiven Summe addiert werden können.
Deine Gesamtwirkung ist so viel mehr
Ich weiß noch, wie ich die ersten Male beim Yoga im Fitnessstudio war. Der Raum an zwei Seiten verspiegelt, wie üblich, damit man sich selbst und der/die Trainer*in einen sehen und gegebenenfalls die Form korrigieren kann. Ich weiß, dass diese Spiegel viele Menschen dazu anregen, sich selbst mit anderen zu vergleichen und dadurch abzuwerten, aber bei mir war es anders. Ich sah mich im Spiegel, wie mein Körper sich bewegte, wie ich im Rhythmus des Atems durch die Asanas floss und mich verbrezelte und war fasziniert.
So sehe ich also aus?! Ich fand mich schön. Ich nahm mich zum ersten Mal bewusst als Ganzes wahr, als Körper in Bewegung, sah, wie ich mich faltete, dehnte, wieder zusammen zog und dabei komplett anders aussah als normalerweise vorm Spiegel, in aufrechter Pose, die Augen auf meine vermeintlichen Makel gerichtet. Da war es auch völlig egal, dass ich nicht alles perfekt und grazil hinbekam. Ich war hier, ich machte Yoga, mein Körper konnte das! Grund genug, stolz auf mich zu sein.
In diesen Tagen verliebte ich mich neu in mich. Oder vielleicht auch zum ersten Mal. Ich verstand, welche Macht es für das Körperbild hat, sich selbst nicht nur wie ein Model bei der Anprobe von vorne und der Seite zu betrachten, sondern sich zu erforschen und dadurch seine ganz eigene Einzigartigkeit und Schönheit zu entdecken. Nicht die Norm-Schönheit, sondern die Schönheit des Gefalteten, Gestreckten, Bewegten.
Ich verstand, dass mein und dein Körper so viel mehr sind als die Teile, die man straffen und muskulär verändern kann. Er ist der Schwung deines Nackens, deine zarten Ohrläppchen, die Grübchen überm Po, die Grübchen am Po (ja!), die Kuhle deiner Achsel, deine Sommersprossen, die Babyhaare an den Schläfen… All das kann einfach wunderschön sein und du bist nicht gewohnt, dorthin zu sehen, es wahrzunehmen, weil es nicht verändert und verbessert werden kann und damit uninteressant ist für all die Frauen- und Fitnesszeitschriften.
Körperliebe und Körperneutralität
Ich bin dabei, mit Fotos mehr zu erforschen. Ich setze mich oft mit meiner Handykamera vor den Spiegel, schaue mich an, fotografiere und filme mich. Ich war dieses Jahr bei drei Foto-Shootings, zwei Mal für Coco Malou und einmal für das Körperakzeptanz-Projekt meiner Freundin Caro, dabei komplett nackt.
Nicht auf jedem Foto finde ich mich umwerfend – aber dadurch lerne ich auch, mich selbst weniger ernst zu nehmen und sehe, welche unglaubliche Freiheit das schenkt.
Denn sich mal nicht wunderschön zu finden, ist auch okay. Körperneutralität statt immer überzeugter Körperliebe – Den eigenen Körper nicht so ernst nehmen, sondern für seine Funktionalität schätzen. Schließlich ist unser Körper das physische Zuhause unserer Seele und unseres Herzens.
Und die sind ohne jede Oberflächlichkeit wunderschön und einzigartig.
Du wünschst dir Unterstützung auf deinem eigenen Weg hin zu mehr Körperakzeptanz? Dann schau dir mein Coaching-Angebot an. Ich freu mich, von dir zu hören.
Alles Liebe
Noemi ♥
Unterwäsche: Coco Malou
Haare und Make-Up: Isabel Plett
Fotografin: Julia Pommerenke
Quelle: https://www.spektrum.de/lexikon/philosophie/emergenz-emergent/545