Bewegung

  • Healthy is the new skinny – Das Buch

    Healthy is the new skinny – Das ist die Kampagne von Plussize-Model Katie H. Wilcox. Vor einigen Jahren als Blog gestartet, in dem sie auf die absurden Schönheitsideale in der Werbung hinweisen und Frauen ein besseres Körpergefühl vermitteln wollte, ist aus HNS inzwischen eine globale Bewegung von Frauen geworden, die keine Lust mehr auf das Schönheitsideal haben und sich gegen gesellschaftlichen Druck wehren.

    Glaubt man ihren Fotos, dann lebt Katie das perfekte Leben. In ihren Instagram-Stories sieht man ihr großes Haus, ihren attraktiven Mann Bradford und ihre supersüße Tochter True. Noch dazu ist sie megahübsch und sympathisch! 🙂 Aber wie so viele Frauen hat auch Katie eine lange Leidensgeschichte voller Selbstzweifel und Unglück über ihr Aussehen hinter sich. Mit dieser Geschichte beginnt ihr Buch „Healthy is the new skinny“ und nimmt den Leser so gleich mit in ihre Vergangenheit als junges Mädchen, dass darunter litt, dass es nicht so aussah wie seine zierlichen Cousinen.

    Ausgehend von dieser Geschichte beschreibt Katie, wie sie schließlich Plussize-Modell wurde, sich aber trotzdem wertlos und leer fühlte. Modeln macht nicht glücklich!, stellte sie fest, und begann, sich damit auseinanderzusetzen, was denn tatsächlich zu einem besseren Körperbild führen kann. Sie begann, zu recherchieren und ihr wurde bewusst, wie sehr unser kollektives Bewusstsein von Werbebotschaften und damit transportierten Bildern beeinflusst ist. Im letzten Jahrhundert hat sich die Werbung ins Zeug gelegt, um unser Konsumverhalten von „Ich kaufe, was ich BRAUCHE“ zu wandeln in „Ich kaufe, was ich WILL“. So sieht beispielsweise eine Person in London täglich etwa 3.500 mehr oder weniger unterschwellige Werbebotschaften. Wahnsinn, oder!?

    Der weibliche Körper ist dabei seit jeher mangelbehaftete Projektionsfläche, die entweder verbessert werden oder als Dekoobjekt herhalten muss. Katie beschreibt einleuchtend, wie die alltäglichen Bilder auf uns wirken, dass es wenig mit unserem tatsächlichen Aussehen zu tun hat, wie wir uns selbst wahrnehmen – und dass es in der Werbewelt keinen Ausweg gibt, denn statt uns selbst zu mögen, sollen wir weiter unglücklich sein und Produkte konsumieren, die uns vermeintlich helfen. Ein perfider Widerspruch, den sie glasklar aufdeckt und der einen stinkwütend machen kann!

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    Nach dem investigativen und aufrüttelnden Teil des Buches beschreibt Katie, wie man das Verhältnis zum eigenen Körper verbessern kann, indem man durchschaut, welche negativen Leitbilder und Glaubenssätze man beispielsweise durch seine Erziehung gelernt hat. Sie schlägt diverse Übungen vor, um die eigene „Programmierung“ zu ändern und ein anderes Schönheitsbewusstsein zu entwickeln. Schließlich kommt sie zum Kernpunkt ihres Buches „Healthy is the new skinny“ und erklärt:

    So, why is healthy the new goal, the new skinny? Because when our body is in a state of excellent health, we are more easily able to return to being our true self. When our body is healthy, our mind is healthier, too. Our whole being is balanced and can relax instead of being in survival and fear mode, which causes us to feel that we’re not good enough and constantly need to prove ourselfe worthy of acceptance and love. When we’re healthy, we make better decisions for ourselves, which makes you healthier and happier still – contributing to a positive lifecircle.

    An added benefit of making healthy the new skinny is that this is a goal we can all achieve. Unlike the beauty ideal of skinny, health is a unique state for each of us, in a way that is organic in our own body. As we’ve discussed, the goal of being skinny puts us in a position to fail over and over again.

    Aber was ist mit healthy gemeint? Schließlich gibt es Menschen, die entweder mental oder physisch angeschlagen oder krank sind und dennoch glücklich sein und sich lieben wollen. Ist „healthy sein“ nicht ein weiterer Anspruch, der an uns gestellt wird? Katie stellt klar, dass sie die individuelle Gesundheit meine, die jeder für sich erreichen kann. Jemand, der etwa mentale Probleme hat, kann sich nicht völlig auf seine körperliche Gesundheit konzentrieren, sondern muss zunächst seine mentale Gesundheit verbessern. Katie stellt klar, dass Körper und Geist nur zusammen funktionieren und wir Gesundheit ganzheitlich sehen müssen – Damit stellt sie sich gegen eine körperfixierte Fitnessidustrie, die in ihrer Ausrichtung den Geist und die Seele nicht im Blick hat.

    Nachdem man sich seiner eigenen, einschränkenden Ideale und Vorstellungen bewusst geworden ist, nimmt Katie einen mit auf den Weg zum „wahrhaftigen Selbst“ und widmet sich der Persönlichkeitsentwicklung. In diesem Teil des Buches wird sie meiner Ansicht nach etwas oberflächlich. In wenigen Kapiteln versucht sie zu beschreiben, womit andere wiederum tausende Bücher füllen. Sie versucht, alles abzudecken und schweift dabei in Phrasen wie „Find your true purpose“ ab, geht aber nicht tief genug ins „Wie“ rein. Trotzdem schlage ich das Buch äußerst zufrieden zu, denn Katie schafft es, im letzten Kapitel die Stärke und den Zusammenhang von Frauen untereinander hervorzuheben und hält ein Manifest für gemeinsame Girl Power. Egal wie pathetisch sie hier klingt – Ich hab am Ende fast ein wenig Tränen in den Augen! 🙂

    Was ich aus diesem Buch mitnehme:

    • Einblick in die Hintergründe der Werbewelt, die uns unterschwellig beeinflusst und manipuliert
    • Wut! Auf ebendiese Werbewelt und den Vorsatz, in Zukunft weniger mitzuspielen und andere darauf hinzuweisen, wo ich kann

    Wem ich dieses Buch schenken würde:

    Allen Menschen (besonders Frauen), die Probleme mit sich und ihrem Körper haben und denen es helfen könnte, zu sehen, dass das nicht „ihre Schuld“ ist.

    Wer Lust hat, Katie und ihre Bewegung besser kennenzulernen, kann hier mal schauen:

    Healthy is the new skinny website: https://healthyisthenewskinny.com/
    Healthy is the new skinny Instagram: https://www.instagram.com/healthyisthenewskinny
    Katie H. Wilcox Instagram: https://www.instagram.com/katiehwillcox/

  • 4 überzeugende Gründe, warum Yoga zu mehr Selbstliebe führt

    Von allen Bewegungsarten, die ich schon ausprobiert habe, hat mir Yoga am meisten geholfen, Selbstakzeptanz und Liebe zu fördern. Wenn man vom subjektiven Wohlgefühl mal absieht, welche überzeugenden Gründe gibt es dafür, dass Yoga praktizieren zu mehr Selbstliebe führt? Die vier Gründe, die mir am wichtigsten erscheinen, habe ich dir hier zusammengefasst. 🙂 Enjoy!

    1. Yoga ist erwiesenermaßen gut für die mentale Gesundheit und bei emotionalem Essen

    Wenn du schon mal Yoga gemacht hast, egal ob sporadisch oder regelmäßig, wirst du das Wohlgefühl, die Entspannung und die innere Ruhe kennen, die sich nach einer tollen Yogastunde einstellen. Auch wissenschaftlich sind diese Effekte auf den Körper und Geist längst bewiesen. Viele Studien zeigen, dass Yoga bei einer Vielzahl von psychischen Erkrankungen helfen kann, wie Depression, Angst- und natürlich auch Essstörungen. Auch biochemisch ist das messbar: Das Stresshormon Cortisol wird verringert und gleichzeitig das Glückshormon Serotonin vermehrt ausgeschüttet. Die Meta-Studie der Uniklinik Jena kommt deshalb zum Schluß, dass „körperorientiertes Yoga mit den zentralen Bestandteilen Asanas und Pranayama (…) einen vielversprechenden komplementären Ansatz in der Behandlung psychischer Störungen dar(stellt)“. Für dich heißt das: Auch wenn du keine ausgeprägten psychischen Probleme hast, auch bei deinen kleinen Ticks und Problemchen, die wohl jeder von uns hat, kann Yoga auf jeden Fall helfen!

    Studien zeigen auch, dass Yogapraktizierende ein besseres Körpergefühl besitzen und infolgedessen bewusster und achtsamer essen. Wie sich unser Körper fühlt, ist eng mit unserer psychischen Gesundheit verbunden. Das Wohlgefühl von Yoga wird dadurch unterstützt, dass du dich achtsamer und damit besser ernährst, weil du deine Körpersignale besser einschätzen und achten lernst. Dadurch handelst du voller Selbstachtung im Einklang mit dir selbst und deinen Bedürfnissen, was im Endeffekt zu mehr Selbstvertrauen und Liebe führt.

    Es hat sich übrigens gezeigt, dass diese positiven Wirkungen umso stärker sind, je öfter Yoga praktiziert wird. Also hopp, auf die Matte mit dir! 🙂

    2. Bei Yoga wird nicht beurteilt, wie gut du bist

    Eine Besonderheit, die Yoga für mich ausmacht, ist, dass Lehrer den Schülern immer Alternativen zu den Asanas anbieten. Es gibt keine Weltmeisterschaft in Yoga! 🙂 Es wird betont, dass alles gut so ist, wie es ist und niemand schlechter oder besser ist, nur weil er/sie stärker oder dehnbarer ist. YogalehrerInnen werden darin ausgebildet, ihre Stunden stark auf die anwesenden Menschen auszurichten und bringen dir bei, dass nicht die äußere Form, sondern die für dich die richtige Variante wichtig und richtig ist. Eine gute Yogalehrerin ermutigt die Schüler dazu, die eigenen Grenzen wahrzunehmen, zu achten und einen liebevollen Umgang mit sich selbst zu pflegen. Eine unglaubliche Erleichterung, falls du der Typ bist, der demotiviert wird, weil er etwas nicht kann! (So wie ich! :))

    Durch die fehlende Beurteilung von außen (abgesehen von gefährlichen Haltungsfehlern natürlich) lernst du mit der Zeit auch, dich selbst weniger zu verurteilen. Bei mir hat das dazu geführt, dass ich mich inzwischen in Kursen immer möglichst nah an den Spiegel setze, auch wenn ich mich bei anderen Fitness-Kursen nicht so gerne ansehe. Beim Yoga liebe ich meinen Körper, ich verurteile ihn nicht, ich bewundere ihn, dafür, wie er im Spiegel aussieht, dafür, was ich an Kraft und Dehnung aus ihm rausholen kann. Bei keinem Sport bin ich so zufrieden mit meinem Körper wie beim Yoga. Und diese Zufriedenheit trage ich immer auch ein bisschen mit nach Hause. Wenn ich danach auf mein Sofa falle, dann mag ich alle meine Rundungen und Eigenheiten, weil ich vorher gemerkt habe, wie stark und flexibel ich bin. 🙂 Und das unabhängig davon, wie ich aussehe oder was andere denken.

    3. Du nimmst dir Zeit für dich

    Sich Zeit für dich selbst und seine Bedürfnisse zu nehmen ist ein zentraler Bestandteil einer guten Selbstfürsorge und damit einer praktizierenden Selbstliebe. Wenn du Yoga machst, nimmst du dir diese Zeit für dich und dein Wohlbefinden. Deine Matte ist deine Insel, auf der du dich zurückziehen und vom Alltag abschotten kannst. Egal, was dich gerade sonst beschäftigt, wohin deine Gedanken wandern, was du tun musst, was du tun sollst… Die Zeit, die du Yoga machst gehört ganz dir alleine und ist dazu da, DICH glücklich zu machen und niemanden sonst.

    Eine niedliche Infografik zum Thema „Importance of Me-time“ findet ihr hier.

    Metime Quelle: https://www.mindbodygreen.com/0-20080/why-me-time-is-so-important-for-happiness-infographic.html%5B/caption%5D

    Besonders schön ist auch Shavasana am Ende der Stunde. Wann sonst nehmen wir uns Zeit, einfach mal ruhig auf dem Boden zu liegen, zu atmen, zu entspannen und einfach nur zu sein? Im Yoga hast du die Erlaubnis dazu. Genieß diese Zeit für dich!

    4. Du praktiziert damit Achtsamkeit und Achtsamkeit hilft dir dabei, dich selbst besser anzunehmen

    Mangelnde Selbstliebe geht meist mit Schamgefühl einher. Wir schämen uns unserer selbst, weil wir denken, etwas an uns sei nicht richtig, schlimmstenfalls leiden wir und verstecken uns.  In ihrer wunderbaren Podcastfolge „3 Schritte wie du dich von Scham befreien kannst“, geht Kira Siefert von SoulFood Journey darauf ein, dass Achtsamkeit praktizieren dazu führt, dass wir Scham und Selbstzweifel abbauen und dadurch mehr Selbstliebe entwickeln.

    Yoga ist dabei, genau wie Meditation, ein Weg, Achtsamkeit zu praktizieren. Christopher Germer, Autor des Buches „Der achtsame Weg zur Selbstliebe“ definiert Achtsamkeit folgendermaßen:

    „Achtsamkeit bedeutet zu wissen, was man erlebt, während man es erlebt, ohne es zu bewerten.“

    Während du Yoga machst, bist du (bestenfalls) ganz bei der Sache und richtest deinen Geist nur darauf. Nichts wird bewertet, alles darf sein. Durch praktizierte Achtsamkeit lernst du mit der Zeit, Schmerz, Leid und Scham in deinem Leben besser anzunehmen und zu akzeptieren, ohne dich davon überrollen zu lassen. Und irgendwann kannst du vielleicht in allem, was dir bisher an dir selbst noch nicht liebenswert scheint, sogar etwas Positives sehen! 🙂

     

    Quellen:
    Klatte, Rahel/Pabst, Simon et al.: Wirksamkeit von körperorientiertem Yoga bei psychischen Störungen. Systematische Literaturübersicht und Metaanalyse. In: Deutsches Ärzteblatt 113(12) (2016), 195-202.
    Online: https://www.aerzteblatt.de/archiv/175449

    Christopher Germer: Der achtsame Weg zur Selbstliebe. Wie man sich von destruktiven Gedanken und Gefühlen befreit, 2. überarbeitete Auflage, Freiburg 2011.

    Kira Siefert: „3 Schritte, wie du dich von Scham befreien kannst“ Podcastfolge http://www.kirasiefert.de/05-3-schritte-wie-du-dich-von-scham-befreien-kannst/

    Photo by Jared Rice on Unsplash
  • (M)ein Leben auf Diät

    Um diesen Blogpost habe ich mich nun schon seit einigen Wochen gedrückt. 😉 Warum? Weil es ein sehr persönliches, sehr tief gehendes Thema betrifft. Mich und meine Diätgeschichte. Hier fasse ich zusammen, wie sich mein Körper und mein Verhältnis dazu in den letzten Jahren entwickelt haben.

    Wie viele Frauen, die sich ihr Leben lang zu dick fühlen, begann auch meine erste Erfahrung mit dem Abnehmen sehr früh. Ich hab etwa mit elf angefangen, mir Gedanken um meinen Körper zu machen und versucht, abzunehmen. Davor war ich ein ganz normales Kind. Ich war nicht dick – wenngleich ich auch nicht so dünn war, wie es viele andere Kinder von Natur aus sind. Ich war „normal“, im besten und im schlechtesten Sinne. Meine früheste Erinnerung im Bezug auf mein Gewicht ist, dass ich meine 40 Kilo mit dem Gewicht eines Freundes verglich und darüber unglücklich war, genauso viel zu wiegen wie er, obwohl ich ein Mädchen und kleiner war.

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    Mit elf beim Schulfotografen

    Ich wog 40 Kilo, Leute. Ich war ein Kind. Stellt euch das mal vor.

    Nach der  Grundschule kam ich aufs Gymnasium und wurde in den nächsten Jahren zur Außenseiterin, wurde gehänselt und haderte immer mehr mit meinem Aussehen. Nicht nur fand ich mich zu pummelig, ich war auch so kein besonders „süßes“ Kind. So ein ganz normaler, bisschen komisch aussehender Teenager halt. 😀 Da war dieser fiese Junge, der sitzengeblieben war und dem es gefiel, auf mir herumzuhacken. Ich werde nie vergessen, wie er zu mir sagte, dass meine Beine ja ganz schön dick wären für meine kleinen Füße. Was für ein Arsch! Als Reaktion auf alle Hänseleien versteckte mich immer öfter in weiten Klamotten. Ich war so unzufrieden mit mir, dass ich irgendwann meine Jacke nicht mehr ausziehen wollte. Fotografiert zu werden fand ich furchtbar.

    Mit 14 stieß ich über eine Werbung auf Almased. Kennt ihr vielleicht, dieses ekelhaft schmeckende Pulver, welches man in Wasser oder Milch einrührt und anstelle einer gescheiten Mahlzeit zu sich nehmen soll. Ähnlich wie Yokebe oder andere Pulvernahrung. Ich wollte das und zog das ganze Programm durch: Den ganzen Tag auf dem Klo sitzen zum Abführen (mit Glaubersalz – so was ekelhaftes, macht das bloß niemals) und selbstgekochte Gemüsebrühe (ohne Salz) als „Nahrung“ – ich war bereit, alles zu geben, um abzunehmen.

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    Mit 13 oder 14 – Ich hasste es, fotografiert zu werden

    Wie bei jeder krass kalorienreduzierten Diät klappte es erstmal und ich nahm am Anfang super ab. Diese unrealistischen Zahlen (pro Tag 0,4 kg) sollten mich noch lange verfolgen, wenn es darum ging, mich in Tagträumen darüber zu verlieren, wie toll ich abnehmen und wie ich aussehen könnte. Ich war zwar hungrig, aber auch beflügelt. Es funktionierte! Aber natürlich kam es wie es kommen musste: Auf die Diät folgte zwangsläufig eine Phase, in der ich alles in mich reinstopfte. Der ausgehungerte Körper schaltet um auf „Überleben“ und du hast einen Fressanfall nach dem Anderen. Unrealistische, strenge Zurückhaltung und ohnmächtiges Alles-In-Sich-Reinstopfen –  ich war mitten drin im Kreislauf.  Der Kreislauf, der ganz oft mit Diäten beginnt. Während ich einerseits versuchte, so wenig wie möglich zu essen und andauernd plante, wieder mit Almased zu fasten, stopfte ich andererseits alle Süßigkeiten in mich rein, die ich finden konnte. Oftmals aß ich heimlich in meinem Zimmer und versteckte voller Scham die Überbleibsel meiner Fressorgien. Ich betäubte meinen Schmerz darüber, gemobbt zu werden und dick zu sein mit Essen.

    Mit 15 hatte ich das schlimmste Jahr meines Lebens. Ich hatte inzwischen massiv zugenommen und schämte mich zu Tode für mein Aussehen. Ich verkroch mich zu Hause und verließ die Wohnung nur, um zur Schule zu gehen. Der Ausdruck „Sweet Sixteen“ löste in mir traurige Bitterkeit aus. Ich war voller Neid auf alle meine schlanken, sonnengebräunten, fröhlichen Schulkameradinnen. Ich hingegen war ein fetter, unglücklicher Teenie.

    Es gibt ein eindrückliches Foto aus der Zeit, welches so genau meine Situation zeigt, dass ich nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll. 😀 Seht selbst!

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    Mit 16 beim Schulausflug in Italien

    Mein Gewicht stieg stetig an, bis ich eines Tages die Zahl 89 auf der Waage sah. Bei einer Größe von 1,52m. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits Dehnungsstreifen an den Beinen, an den Armen und am Unterbauch. Eine massive Zunahme in diesem Alter, in dem die Haut noch so straff ist, macht die Haut gar nicht gut mit. Ich sah mich im Spiegel an und bemerkte, dass die Streifen auch auf meinem Oberbauch anfingen, sich auszubreiten. Ich war 16 Jahre alt, am Tiefpunkt meines Lebens und am Höhepunkt meines Gewichts angelangt.

    Da beschloß ich, dass es so nicht weitergeht. Ja, ich hatte ihn, den berühmten Klick. Ich sah mich an und war voller Panik, dass bald mein ganzer Körper zerrissen sein würde. So wollte ich nicht leben. Ab da versuchte ich, weniger zu essen und nahm langsam, ganz langsam ab. Dabei Sport machen freiwillig – no way. Ich schwänzte den Schulsport so oft ich konnte, weil mir meine LehrerInnen immer vermittelt hatten, dass ich von Natur aus unsportlich und schlecht war.

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    Ungefähr mit 18 – ich hatte schon etwas abgenommen

    Ich beschränkte mich darauf, ein bisschen weniger zu essen. Langsam nahm ich damit in 3 Jahren 30 Kilo ab. Dabei gab es leider kein Geheimrezept, welches ich euch hier präsentieren kann. Wieder Hungergefühl zulassen, es manchmal aushalten und weniger essen. Ich glaube, mein junger Körper war froh, das Gewicht wieder loszuwerden!

    Mit 20 war ich dann endlich das erste Mal in meinem Leben schlank und fühlte mich schön. Ich veränderte mich: Meine Haare wurden heller, ich fing an ins Solarium zu gehen und wurde eine kleine Barbie. 😉 Außerdem ging ich zum ersten Mal in meinem Leben in normale Clubs und verhielt mich so dumm, wie man nur will, wenn man endlich eine riesengroße Last verloren  und sein Leben zurückgewonnen hat. Ich genoß mein Leben in vollen Zügen.

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    Mit 21: Blond, angetrunken und happy 😉

    Trotzdem war mein Kopf noch immer voller Diätgedanken. Ich teilte Lebensmittel auf in gut und schlecht (z.B. fettreduzierte Milch ist gut, alles mit Vollfett ist böse..). Ich bewachte meinen Körper und machte meine Laune von der Zahl auf der Waage abhängig. Wenn sie anzeigte, dass ich zugenommen hatte, überwachte ich mich und versuchte, an dem Tag weniger zu essen.

    Nachdem ich zum Studium nach Karlsruhe zog, fing ich zum allerersten Mal in meinem Leben an, freiwillig Sport zu machen, weil ich keine Angst mehr haben musste, dafür von einem Lehrer verurteilt zu werden. Ich ging laufen. Beim ersten Mal 20 Minuten, dann 40 Minuten und seit damals hab ich nie wieder aufgehört. 🙂 Ich fing damit an, um abzunehmen, aber laufen half mir auch dabei, meine Fressanfälle in den Griff zu kriegen.

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    Bei meinem ersten Halbmarathon – Schaut nur, wie ich strahle! 😀

    Damals hörte ich auf, fettreduzierte Lebensmittel zu kaufen. Ich wurde von der Vegetarierin zur Allesesserin, weil ich keinerlei Lust mehr auf Verzicht hatte. Ich erlaubte mir zum erstem Mal in meinem Leben jedes Lebensmittel, das ich wollte. Dennoch war ich nicht geheilt. Ich aß zwar alles, aber ich fing dafür an, Kalorien zu zählen („Macro tracking“) und zu viel Essen mit Sport wieder „gutzumachen“. In den Jahren meines Studiums nahm ich wieder etwas zu. Es überkamen mich immer noch Fressanfälle, wenn ich Hausarbeiten schreiben musste und stattdessen faul war. Oder wenn ich zu viel gegessen hatte, um an dem Tag abnehmen zu können und dann „eh schon alles egal war“. Um mich zu betäuben und zu bestrafen. Ich hatte viele Zeiten, in denen ich mich fett und unansehnlich fühlte. Ich wollte oftmals abends nicht ausgehen, weil ich mich zu fett fand. Ich versteckte mich.

    All die Jahre haben mich Bücher übers Intuitive Essen begleitet. Aber erst vor 2 Jahren habe ich mich tatsächlich getraut, damit anzufangen. Weil ich mir nicht vertraute. Wie auch? Ich hatte so oft Diäten gemacht, Kalorien gezählt, mich zum Sport gezwungen und immer, immer wieder „versagt“. Ich hatte wahnsinnige, wahnsinnige Angst davor, zuzunehmen und dieses Gefühl der Kontrolle und der Macht zu verlieren. Und diesen Zauber, den man verspürt, wenn man an eine glorreiche Zukunft denkt, in der man schlank ist. „Ab morgen werde ich schlank und fit“ ist die Zauberformel, nach der so viele von uns leben und hinter der sich die Ahnung des wunderbaren Lebens verbirgt, das man haben muss, wenn man schlank ist.
    Damals wusste ich nicht, dass es TOTAL NORMAL ist, bei Diäten zu versagen und danach wieder zuzunehmen. Nicht du bist Schuld, sondern die Diäten. Und ich wusste nicht, dass es einen nicht automatisch glücklich, zufrieden und himmelhochjauchzend macht, wenn man das Gewicht erreicht, dass man sich wünscht. Sondern dass man sich zuerst selbst akzeptieren muss, um sich gut zu fühlen und zwar mit jedem Gewicht. Dass man sich alles erlauben und jedes Leben haben darf, egal wie man aussieht. Die schönsten und schlankesten Menschen der Welt können sich dick und hässlich fühlen und es gibt Leute, die sind Sexbomben, obwohl sie „zu viel“ wiegen. Your mind makes all the difference!

    Eines Tages lag ich dann im Bikini in der Sonne auf meinem Balkon und las „Essen als Ersatz“ und beschloß, dass ich nichts mehr zu verlieren hatte. Mit intuitiv essen anzufangen veränderte alles. Ich gab meine Waage weg (und es fiel mir sehr, sehr schwer!). Ich hörte auf, Kalorien zu zählen. Ich hörte auf, meine Pulsuhr mit Kalorientracker beim Sport zu nutzen. Jeder dieser Schritte fiel mir unglaublich schwer. Ich musste die Kontrolle abgeben und ich wollte so gern daran festhalten. Aber: Ich hatte alles versucht und war wieder und wieder nicht zum Ziel gelangt. Jetzt wollte ich HEILUNG. Ich hatte genug von diesem Leben. Ich war misstrauisch und ängstlich, aber ich erlaubte mir zum ersten Mal, ohne Kontrolle zu essen.

    Was dann passierte, war magisch. Dadurch, dass ich mir keine Lebensmittel mehr vorenthielt, GAR NICHT, konnte ich wieder freiwillig verzichten. Ich kam über einen Radiobeitrag über Hof Butenland zum Veganismus und fing an, mich vegan zu ernähren. FREIWILLIG. Weil ich es wollte! Nicht, weil ich das Gefühl hatte, ich müsse das tun und nicht, um abzunehmen. Aus freien Stücken. Diese Entscheidung machte mich selbstbewusster. 🙂 Es war meine Entscheidung und mein Ding. Ich tat es für mich und zum allerersten Mal hatte ich Freude daran, etwas wegzulassen und anders zu essen.

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    Vor zwei Jahren auf einer Hochzeit in Spanien – Es geht mir gut!

    Und heute? Ich ernähre mich jetzt seit etwa zweieinhalb Jahren so und es geht mir sehr, sehr gut damit. 🙂 Ich habe die meisten Diätgedanken überwunden, für mich steht die gesamte Palette der Lebensmittel offen. Ich mache Sport, weil es mir Spaß macht, etwas, das ich mir früher niemals hätte vorstellen können. Ich hab weiterhin abgenommen und tue das immer noch, glaube ich. Ich merke das inzwischen nur noch, wenn meine Klamotten anders sitzen. Ich gehe auf die Waage, wenn ich bei Freunden bin (mit Klamotten an :D) und vor kurzem habe ich das zum ersten Mal VERGESSEN und es war mir vollkommen egal. Derzeit arbeite ich daran, in Gesellschaft oder beim Essen gehen mehr auf mich zu hören und auch da nicht zu viel zu essen. Ich hab immer noch Trigger, aber ich weiß inzwischen sehr viel besser, was mir gut tut und werde immer besser darin, sie zu vermeiden.
    Außerdem arbeite ich jeden Tag daran, meinen Körper zu akzeptieren und schön zu finden. Ich hab überschüssige Haut an den Armen und vor allem am Bauch und schäme mich immer noch manchmal dafür. Genauso wie wie für meine Cellulite am Hintern. Aber mein Verhältnis zum Körper wird immer besser. Dabei hilft mir auch, dass ich den allerbesten Freund der Welt habe, der mir unangeschränkt das Gefühl gibt, dass ich wunderbar, schön und begehrenswert bin und dass ich nichts an mir ändern muss. Und Yoga! Durch Yoga hab ich gelernt, mich immer mehr so anzunehmen wie ich bin und das alles was ich kann, genau so gut ist. 🙂

    Was ich aus meiner Geschichte gelernt hab: Ich möchte anderen Menschen dabei helfen, Diätgedanken aus ihrem Leben zu streichen und zurückzukehren zu einem natürlichen, intuitiven Verhältnis zu Essen und Sport. Ich möchte dich dabei unterstützen, wenn du das brauchst. Außerdem will ich auf die unrealistischen Schönheitsbilder aufmerksam machen, die vor allem uns Frauen unter Druck setzen, sexy und fuckable zu sein. Ich träume davon, dass sich alle mehr selbst lieben und akzeptieren können. Ich träume von einer Welt, in der es die Worte Makel und Schönheitsfehler nicht mehr gibt. In der wir einfach SEIN dürfen, wertvoll sind, egal wie wir aussehen.