Sport

  • (M)ein Leben auf Diät

    Um diesen Blogpost habe ich mich nun schon seit einigen Wochen gedrückt. 😉 Warum? Weil es ein sehr persönliches, sehr tief gehendes Thema betrifft. Mich und meine Diätgeschichte. Hier fasse ich zusammen, wie sich mein Körper und mein Verhältnis dazu in den letzten Jahren entwickelt haben.

    Wie viele Frauen, die sich ihr Leben lang zu dick fühlen, begann auch meine erste Erfahrung mit dem Abnehmen sehr früh. Ich hab etwa mit elf angefangen, mir Gedanken um meinen Körper zu machen und versucht, abzunehmen. Davor war ich ein ganz normales Kind. Ich war nicht dick – wenngleich ich auch nicht so dünn war, wie es viele andere Kinder von Natur aus sind. Ich war „normal“, im besten und im schlechtesten Sinne. Meine früheste Erinnerung im Bezug auf mein Gewicht ist, dass ich meine 40 Kilo mit dem Gewicht eines Freundes verglich und darüber unglücklich war, genauso viel zu wiegen wie er, obwohl ich ein Mädchen und kleiner war.

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    Mit elf beim Schulfotografen

    Ich wog 40 Kilo, Leute. Ich war ein Kind. Stellt euch das mal vor.

    Nach der  Grundschule kam ich aufs Gymnasium und wurde in den nächsten Jahren zur Außenseiterin, wurde gehänselt und haderte immer mehr mit meinem Aussehen. Nicht nur fand ich mich zu pummelig, ich war auch so kein besonders „süßes“ Kind. So ein ganz normaler, bisschen komisch aussehender Teenager halt. 😀 Da war dieser fiese Junge, der sitzengeblieben war und dem es gefiel, auf mir herumzuhacken. Ich werde nie vergessen, wie er zu mir sagte, dass meine Beine ja ganz schön dick wären für meine kleinen Füße. Was für ein Arsch! Als Reaktion auf alle Hänseleien versteckte mich immer öfter in weiten Klamotten. Ich war so unzufrieden mit mir, dass ich irgendwann meine Jacke nicht mehr ausziehen wollte. Fotografiert zu werden fand ich furchtbar.

    Mit 14 stieß ich über eine Werbung auf Almased. Kennt ihr vielleicht, dieses ekelhaft schmeckende Pulver, welches man in Wasser oder Milch einrührt und anstelle einer gescheiten Mahlzeit zu sich nehmen soll. Ähnlich wie Yokebe oder andere Pulvernahrung. Ich wollte das und zog das ganze Programm durch: Den ganzen Tag auf dem Klo sitzen zum Abführen (mit Glaubersalz – so was ekelhaftes, macht das bloß niemals) und selbstgekochte Gemüsebrühe (ohne Salz) als „Nahrung“ – ich war bereit, alles zu geben, um abzunehmen.

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    Mit 13 oder 14 – Ich hasste es, fotografiert zu werden

    Wie bei jeder krass kalorienreduzierten Diät klappte es erstmal und ich nahm am Anfang super ab. Diese unrealistischen Zahlen (pro Tag 0,4 kg) sollten mich noch lange verfolgen, wenn es darum ging, mich in Tagträumen darüber zu verlieren, wie toll ich abnehmen und wie ich aussehen könnte. Ich war zwar hungrig, aber auch beflügelt. Es funktionierte! Aber natürlich kam es wie es kommen musste: Auf die Diät folgte zwangsläufig eine Phase, in der ich alles in mich reinstopfte. Der ausgehungerte Körper schaltet um auf „Überleben“ und du hast einen Fressanfall nach dem Anderen. Unrealistische, strenge Zurückhaltung und ohnmächtiges Alles-In-Sich-Reinstopfen –  ich war mitten drin im Kreislauf.  Der Kreislauf, der ganz oft mit Diäten beginnt. Während ich einerseits versuchte, so wenig wie möglich zu essen und andauernd plante, wieder mit Almased zu fasten, stopfte ich andererseits alle Süßigkeiten in mich rein, die ich finden konnte. Oftmals aß ich heimlich in meinem Zimmer und versteckte voller Scham die Überbleibsel meiner Fressorgien. Ich betäubte meinen Schmerz darüber, gemobbt zu werden und dick zu sein mit Essen.

    Mit 15 hatte ich das schlimmste Jahr meines Lebens. Ich hatte inzwischen massiv zugenommen und schämte mich zu Tode für mein Aussehen. Ich verkroch mich zu Hause und verließ die Wohnung nur, um zur Schule zu gehen. Der Ausdruck „Sweet Sixteen“ löste in mir traurige Bitterkeit aus. Ich war voller Neid auf alle meine schlanken, sonnengebräunten, fröhlichen Schulkameradinnen. Ich hingegen war ein fetter, unglücklicher Teenie.

    Es gibt ein eindrückliches Foto aus der Zeit, welches so genau meine Situation zeigt, dass ich nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll. 😀 Seht selbst!

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    Mit 16 beim Schulausflug in Italien

    Mein Gewicht stieg stetig an, bis ich eines Tages die Zahl 89 auf der Waage sah. Bei einer Größe von 1,52m. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits Dehnungsstreifen an den Beinen, an den Armen und am Unterbauch. Eine massive Zunahme in diesem Alter, in dem die Haut noch so straff ist, macht die Haut gar nicht gut mit. Ich sah mich im Spiegel an und bemerkte, dass die Streifen auch auf meinem Oberbauch anfingen, sich auszubreiten. Ich war 16 Jahre alt, am Tiefpunkt meines Lebens und am Höhepunkt meines Gewichts angelangt.

    Da beschloß ich, dass es so nicht weitergeht. Ja, ich hatte ihn, den berühmten Klick. Ich sah mich an und war voller Panik, dass bald mein ganzer Körper zerrissen sein würde. So wollte ich nicht leben. Ab da versuchte ich, weniger zu essen und nahm langsam, ganz langsam ab. Dabei Sport machen freiwillig – no way. Ich schwänzte den Schulsport so oft ich konnte, weil mir meine LehrerInnen immer vermittelt hatten, dass ich von Natur aus unsportlich und schlecht war.

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    Ungefähr mit 18 – ich hatte schon etwas abgenommen

    Ich beschränkte mich darauf, ein bisschen weniger zu essen. Langsam nahm ich damit in 3 Jahren 30 Kilo ab. Dabei gab es leider kein Geheimrezept, welches ich euch hier präsentieren kann. Wieder Hungergefühl zulassen, es manchmal aushalten und weniger essen. Ich glaube, mein junger Körper war froh, das Gewicht wieder loszuwerden!

    Mit 20 war ich dann endlich das erste Mal in meinem Leben schlank und fühlte mich schön. Ich veränderte mich: Meine Haare wurden heller, ich fing an ins Solarium zu gehen und wurde eine kleine Barbie. 😉 Außerdem ging ich zum ersten Mal in meinem Leben in normale Clubs und verhielt mich so dumm, wie man nur will, wenn man endlich eine riesengroße Last verloren  und sein Leben zurückgewonnen hat. Ich genoß mein Leben in vollen Zügen.

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    Mit 21: Blond, angetrunken und happy 😉

    Trotzdem war mein Kopf noch immer voller Diätgedanken. Ich teilte Lebensmittel auf in gut und schlecht (z.B. fettreduzierte Milch ist gut, alles mit Vollfett ist böse..). Ich bewachte meinen Körper und machte meine Laune von der Zahl auf der Waage abhängig. Wenn sie anzeigte, dass ich zugenommen hatte, überwachte ich mich und versuchte, an dem Tag weniger zu essen.

    Nachdem ich zum Studium nach Karlsruhe zog, fing ich zum allerersten Mal in meinem Leben an, freiwillig Sport zu machen, weil ich keine Angst mehr haben musste, dafür von einem Lehrer verurteilt zu werden. Ich ging laufen. Beim ersten Mal 20 Minuten, dann 40 Minuten und seit damals hab ich nie wieder aufgehört. 🙂 Ich fing damit an, um abzunehmen, aber laufen half mir auch dabei, meine Fressanfälle in den Griff zu kriegen.

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    Bei meinem ersten Halbmarathon – Schaut nur, wie ich strahle! 😀

    Damals hörte ich auf, fettreduzierte Lebensmittel zu kaufen. Ich wurde von der Vegetarierin zur Allesesserin, weil ich keinerlei Lust mehr auf Verzicht hatte. Ich erlaubte mir zum erstem Mal in meinem Leben jedes Lebensmittel, das ich wollte. Dennoch war ich nicht geheilt. Ich aß zwar alles, aber ich fing dafür an, Kalorien zu zählen („Macro tracking“) und zu viel Essen mit Sport wieder „gutzumachen“. In den Jahren meines Studiums nahm ich wieder etwas zu. Es überkamen mich immer noch Fressanfälle, wenn ich Hausarbeiten schreiben musste und stattdessen faul war. Oder wenn ich zu viel gegessen hatte, um an dem Tag abnehmen zu können und dann „eh schon alles egal war“. Um mich zu betäuben und zu bestrafen. Ich hatte viele Zeiten, in denen ich mich fett und unansehnlich fühlte. Ich wollte oftmals abends nicht ausgehen, weil ich mich zu fett fand. Ich versteckte mich.

    All die Jahre haben mich Bücher übers Intuitive Essen begleitet. Aber erst vor 2 Jahren habe ich mich tatsächlich getraut, damit anzufangen. Weil ich mir nicht vertraute. Wie auch? Ich hatte so oft Diäten gemacht, Kalorien gezählt, mich zum Sport gezwungen und immer, immer wieder „versagt“. Ich hatte wahnsinnige, wahnsinnige Angst davor, zuzunehmen und dieses Gefühl der Kontrolle und der Macht zu verlieren. Und diesen Zauber, den man verspürt, wenn man an eine glorreiche Zukunft denkt, in der man schlank ist. „Ab morgen werde ich schlank und fit“ ist die Zauberformel, nach der so viele von uns leben und hinter der sich die Ahnung des wunderbaren Lebens verbirgt, das man haben muss, wenn man schlank ist.
    Damals wusste ich nicht, dass es TOTAL NORMAL ist, bei Diäten zu versagen und danach wieder zuzunehmen. Nicht du bist Schuld, sondern die Diäten. Und ich wusste nicht, dass es einen nicht automatisch glücklich, zufrieden und himmelhochjauchzend macht, wenn man das Gewicht erreicht, dass man sich wünscht. Sondern dass man sich zuerst selbst akzeptieren muss, um sich gut zu fühlen und zwar mit jedem Gewicht. Dass man sich alles erlauben und jedes Leben haben darf, egal wie man aussieht. Die schönsten und schlankesten Menschen der Welt können sich dick und hässlich fühlen und es gibt Leute, die sind Sexbomben, obwohl sie „zu viel“ wiegen. Your mind makes all the difference!

    Eines Tages lag ich dann im Bikini in der Sonne auf meinem Balkon und las „Essen als Ersatz“ und beschloß, dass ich nichts mehr zu verlieren hatte. Mit intuitiv essen anzufangen veränderte alles. Ich gab meine Waage weg (und es fiel mir sehr, sehr schwer!). Ich hörte auf, Kalorien zu zählen. Ich hörte auf, meine Pulsuhr mit Kalorientracker beim Sport zu nutzen. Jeder dieser Schritte fiel mir unglaublich schwer. Ich musste die Kontrolle abgeben und ich wollte so gern daran festhalten. Aber: Ich hatte alles versucht und war wieder und wieder nicht zum Ziel gelangt. Jetzt wollte ich HEILUNG. Ich hatte genug von diesem Leben. Ich war misstrauisch und ängstlich, aber ich erlaubte mir zum ersten Mal, ohne Kontrolle zu essen.

    Was dann passierte, war magisch. Dadurch, dass ich mir keine Lebensmittel mehr vorenthielt, GAR NICHT, konnte ich wieder freiwillig verzichten. Ich kam über einen Radiobeitrag über Hof Butenland zum Veganismus und fing an, mich vegan zu ernähren. FREIWILLIG. Weil ich es wollte! Nicht, weil ich das Gefühl hatte, ich müsse das tun und nicht, um abzunehmen. Aus freien Stücken. Diese Entscheidung machte mich selbstbewusster. 🙂 Es war meine Entscheidung und mein Ding. Ich tat es für mich und zum allerersten Mal hatte ich Freude daran, etwas wegzulassen und anders zu essen.

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    Vor zwei Jahren auf einer Hochzeit in Spanien – Es geht mir gut!

    Und heute? Ich ernähre mich jetzt seit etwa zweieinhalb Jahren so und es geht mir sehr, sehr gut damit. 🙂 Ich habe die meisten Diätgedanken überwunden, für mich steht die gesamte Palette der Lebensmittel offen. Ich mache Sport, weil es mir Spaß macht, etwas, das ich mir früher niemals hätte vorstellen können. Ich hab weiterhin abgenommen und tue das immer noch, glaube ich. Ich merke das inzwischen nur noch, wenn meine Klamotten anders sitzen. Ich gehe auf die Waage, wenn ich bei Freunden bin (mit Klamotten an :D) und vor kurzem habe ich das zum ersten Mal VERGESSEN und es war mir vollkommen egal. Derzeit arbeite ich daran, in Gesellschaft oder beim Essen gehen mehr auf mich zu hören und auch da nicht zu viel zu essen. Ich hab immer noch Trigger, aber ich weiß inzwischen sehr viel besser, was mir gut tut und werde immer besser darin, sie zu vermeiden.
    Außerdem arbeite ich jeden Tag daran, meinen Körper zu akzeptieren und schön zu finden. Ich hab überschüssige Haut an den Armen und vor allem am Bauch und schäme mich immer noch manchmal dafür. Genauso wie wie für meine Cellulite am Hintern. Aber mein Verhältnis zum Körper wird immer besser. Dabei hilft mir auch, dass ich den allerbesten Freund der Welt habe, der mir unangeschränkt das Gefühl gibt, dass ich wunderbar, schön und begehrenswert bin und dass ich nichts an mir ändern muss. Und Yoga! Durch Yoga hab ich gelernt, mich immer mehr so anzunehmen wie ich bin und das alles was ich kann, genau so gut ist. 🙂

    Was ich aus meiner Geschichte gelernt hab: Ich möchte anderen Menschen dabei helfen, Diätgedanken aus ihrem Leben zu streichen und zurückzukehren zu einem natürlichen, intuitiven Verhältnis zu Essen und Sport. Ich möchte dich dabei unterstützen, wenn du das brauchst. Außerdem will ich auf die unrealistischen Schönheitsbilder aufmerksam machen, die vor allem uns Frauen unter Druck setzen, sexy und fuckable zu sein. Ich träume davon, dass sich alle mehr selbst lieben und akzeptieren können. Ich träume von einer Welt, in der es die Worte Makel und Schönheitsfehler nicht mehr gibt. In der wir einfach SEIN dürfen, wertvoll sind, egal wie wir aussehen.