Über den anerkennenden Satz „Wow, du hast ja schon einen tollen Yoga Body bekommen!“ stolperte ich das erste Mal vor etwa einem Jahr unter einem (tatsächlich sehr ästhetischen) Instagramfoto. Instinktiv verdrehte ich dabei die Augen, denn schließlich gehört es zum Basiswissen über Yoga, dass es eben NICHT um Äußerlichkeiten und vermeintlichen Fortschritt geht, sondern vor allem um eine innere Haltung. Das ist doch allen klar, dachte ich – Oder? Anscheinend nicht, denn inzwischen begegnet einem der Begriff Yoga Body immer häufiger und er ist zum Synonym geworden für einen Körper, der durch das praktizieren von Yoga straff, schlank und athletisch (geworden) ist. Inflationär wird er dazu benutzt, Apps zu bewerben, mit denen man Yoga machen und sich „tonen“ kann und es gibt sogar ein Buch, das so heißt. Der Untertitel bewirbt das Konzept „Asanas & Ernährung perfekt kombiniert: Straff, schlank, schön“.
Klingt wie ein neues Diätprogramm? Ja tatsächlich. Und ist so weit weg davon, warum ich Yoga lieben gelernt habe und was mich persönlich antreibt, Yogalehrerin zu werden und das „Yoga-Feeling“ an meine SchülerInnen weiterzugeben. Nämlich, dass Perfektion eben KEINE Rolle spielt und dass Yoga NICHTS damit zu tun hat, wie schön und straff man ist.
Damit ist Yoga heilsam für die vielen Menschen unter uns, die ein schlechtes Verhältnis zu Bewegung haben, weil sie verinnerlicht haben, dass sie Sport machen sollen um abzunehmen, oder die schlechte Erfahrungen mit Schulsport gesammelt haben, oder oder oder. Aus vielen Gesprächen weiß ich: Nicht nur ich war davon betroffen, sondern davon gibt es verdammt viele. Und tatsächlich ist es erwiesen, dass Yoga die Körperakzeptanz verbessern und zu mehr Selbstliebe führen kann, wie ich hier aufgeführt habe. Stattdessen vermittelt uns der Yoga Body ein anderes Bild: Schlank, weiß, jung und äußerst beweglich sollst du sein, um Yoga zu machen! Durch die Bilder, die unter dem Begriff verbreitet werden, werden zum Beispiel alte, unfitte, dicke und auch People of Color ausgeschlossen.
Tatsächlich reagieren die Leute häufig mit leichtem Unbehagen darauf, dass ich Yogalehrerin werde. „Oh Yoga, das wäre nichts für mich, dafür bin ich zu unbeweglich!“, sagen sie und schauen betreten weg, als ob ich sie automatisch in einer „schlechten“ Vorbeuge sehen könnte. Das macht mich jedes Mal sehr traurig, denn es ist genau umgekehrt: Man muss überhaupt nicht beweglich sein, um mit Yoga anzufangen, aber Yoga verbessert die Beweglichkeit und sollte deshalb gerade von denen gemacht werden, die nicht so biegsam sind! Stattdessen halten die akrobatischen Fotos und Videos die Normalos, die Steifen, die Alten und die Schüchternen vom Yoga ab.
In der Bildwelt rund um Yogakleidung kann man ebenfalls den Eindruck bekommen, die Yogawerbung hängt der globalen Entwicklung extrem hinterher. Vielfalt und Diversität? Fehlanzeige. Die Models für Yoga-Kleidung sind ebenfalls weiß, schlank und extrem athletisch und biegsam. Schauen wir uns zum Beispiel mal die aktuelle Werbung des Hamburger Labels „Hey Honey“ an. Ein Label, dessen Hosen ich übrigens sehr schätze, versteht mich da nicht falsch. Aber das Video für ihre aktuelle Kollektion spricht Bände. Yogalehrerin Wanda Badwal ist ohne Frage eine extrem schöne Frau und ich möchte überhaupt nichts gegen sie persönlich sagen, aber sie war eben auch Model und entspricht damit einem Körpertyp, den fast keine Frau so erfüllen kann. Man könnte nun überlegen, ob das in Deutschland speziell so ist, aus welchen Gründen auch immer? Aber nein, auch z. B. in den USA wird hauptsächlich diese Bildwelt von den Yogamarken genutzt.
Brandaktuell wurde dieses Thema durch den Streit von Body Positivity Yogalehrerin Dana Falsetti, die sich dagegen wehrte, dass ihre Inhalte von Alo Yoga vereinnahmt werden sollten, deren Content sie als zu exkludierend empfand (zum genauen Hintergrund der Story). Auch ich fühle mich von dieser Bildwelt ausgeschlossen und eingeschüchtert und da bin ich nicht die Einzige: In einer kleinen Umfrage in meinem Instagram-Account kam heraus, dass 96 % aller Befragten sich ebenfalls von solcher Werbung unter Druck gesetzt fühlen. Und wenn es mir schon so geht, die ebenfalls weiß und relativ jung und (zwar am oberen Rand aber) normalgewichtig ist, wie geht es dann erst anderen Yogis, die dieses Bild noch wenger erfüllen? Wir werden durch diese Bilder nicht ermutigt, sondern eher davon abgehalten Yoga zu machen und ja, auch davon abgehalten die Kleidung zu kaufen.
Erfrischenderweiße gibt es auch eine Gegenbewegung: So erzählt etwa „Yoga Bodies. Real People, Real Stories & the Power of Transformation“ eine andere Geschichte und zeigt die vielen Facetten, die Yoga Bodies haben. Nämlich alle: Alt, jung, dick, dünn, schwarz, weiß, gesund, krank und alles dazwischen. Alles Menschen, die Yoga lieben, uns so inspierieren, auch Yoga zu machen und von denen wir zukünftig hoffentlich mehr sehen. Spätestens, wenn den Yogakleidung-Marken auch klar wird, dass sie einen großen Teil an Menschen mit ihrer altmodischen Bildwelt nicht erreichen können.
Und es gibt großartige, alternative Yoga-Lehrerinnen, die das Wort in die Welt hinaustragen. Dazu zählen zum Beispiel:
- Jessamyn Stanley, die das Buch „Every Body Yoga“ geschrieben hat und ermutigt: „Let go of fear, get on the mat and love your body“: Instagram Account
- Dianne Bondy, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, dass ALLE Körper Yoga machen können und die dafür auch ungewöhnliche Hilfsmittel nutzt, wie zum Beispiel Stühle: Instagram-Account
- Die oben erwähnte Dana Falsetti, die eine große inspiration (nicht nur) für dicke Yogis ist: Instagram-Account
- Dörte Kuhn, quasi das deutsche Äquivalent zu Dana Falsetti und mit ihrer Kurvenreich Werkstatt schon lange auf Mission, die Selbstakzeptanz ihrer Schüler zu verbessern: Instagram-Account
Ihr seht, auch bei meinen Vorschlägen ist noch Luft nach oben. Deshalb freue ich mich über Vorschläge für alternative YogalehrerInnen! Und jetzt schicke ich einen unperfekten Sonnengruß von meiner Matte zu eurer. 🙂
PS: Ich habe mich auch gefragt, inwiefern meine eigenen Fotos diese Narrative weiterzählen und ob ich sie deshalb nicht posten sollte. Schließlich bin ich wie geschrieben ebenfalls (relativ) jung, weiß und eben „normal“. Ich habe sie dennoch gepostet, da ich mich selbst als sehr weit weg von einem perfekten Yogamodel empfinde. Wenn das jemand anders sieht und sich dadurch wiederum unter Druck gesetzt fühlen sollte, tut mir das sehr leid und ich freue mich über Feedback dazu. Bis dahin: Namasté!
Ich liebe alles an deinem Beitrag! 🙂 <3 Das alles, aber auch alles auf den Körper reduziert werden muss, nervt so unglaublich… Ganz liebe Grüße, Sonja
Danke Sonja!! <3
Danke für den Text! Ich sehe (bis auf die (Un-)Beweglichkeit) so aus wie die Yogamodels der großen Marken – und fühle mich ebenfalls unter Druck gesetzt. Nur irgendwie sehr subtil. Als müsse ich dran bleiben, um nicht aus dem Bild zu fallen (= jeden Tag 5 Stunden üben oder zumindest andere Dinge tun, damit der Körper so bleibt und noch „besser“ wird) und gleichzeitig sind die da alle so glücklich auf den Bildern. Die Menschen ohne ständige Ausgeglichenheit, vielleicht mit Depressionen etc., sind auch nicht repräsentiert. Und dann übe ich Asana, bin nicht glücklich – und damit wieder in der Rolle, dass mit mir irgendwas nicht stimme (also implizite Suggestion aus all den „blissfulness“ Gesichtern in der Öffentlichkeit).
Liebe Ruth! Ja, den Druck, immer happy und erfüllt sein zu müssen gibt’s auch! Genauso wie, keine Wut empfinden zu dürfen. Was für ein Quatsch! Alle gefühle dürfen da sein. „No rain, no flowers!“ Mach dir keinen Druck – Ich bin auch nicht immer happy, versprochen. 🙂
Wunderbarer Text und vor allem schöne Bilder. Meistens sind wir mit uns kritischer, als andere es sind. Das finde ich immer traurig. Ich erkenne mich in deinem Text aber leider wieder.
Danke für den Beitrag! Ich habe ja Yoga in erster Linie für mich angefangen, um an meiner Persönlichkeitsentwicklung zu arbeiten, dass dabei dann auch ein entsprechender Körper herauskommt, ist super, aber davon lasse ich mich jetzt nicht beirren, wenn das einmal nicht mehr der Fall sein sollte.
Wow danke für deinen Beitrag. Ich bin auch als ganz Unsportliche (so hab ich mich immer gesehen und tue es zum Teil immer noch) durch Zufall zum Yoga gekommen. In letzter zeit mache ich es aber auch immer weniger und ich frage mich gerade, ob das eben genau was mit diesen Bildern zu tun hat. Ich hab in letzter zeit eher Yoga mit Youtube Videos gemacht und da entsteht häufig auch genau diese Bild vom Yoga Body bzw. auch von einer gewissen Fitness die man bei einigen Videos überhaupt erstmal braucht um mitmachen zu können. Ich denke oft auch, dass ich gar nicht von mir sagen kann dass ich Yoga „kann“, weil manche Posen mich einfach schlicht überfordern. Also vielen Dank für deinen Post! Der ermutigt mich sehr!
Hallo Annette, ich freue mich, wenn dir der Post Mut macht, Yoga zu machen und dich dabei weniger übers Können und deinen Körper zu identifizieren! So sollte Yoga sein – Yoga für alle. 🙂
Liebe Grüße, Noemi